Research Article |
Corresponding author: Ulf Kempe ( kempe@mineral.tu-freiberg.de ) Academic editor: Jan-Michael Lange
© 2024 Ulf Kempe.
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Citation:
Kempe U (2024) “The walls are covered up to two foot with wainscot of polished Verde antico” A rock used during the Roman Empire in the throne room of the Schwerin castle? Geologica Saxonica – Journal of Central European Geology 70: 15-28. https://doi.org/10.3897/gs.70.e130048
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Spätestens ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts war die Verwendung bekannter, bereits in der Antike genutzter Dekorgesteine oder von entsprechenden Stuckimitaten ein wichtiges Element in der Gestaltung von Repräsentationsräumen in Residenzschlössern, um den eigenen Herrschaftsanspruch zu betonen. Im Thronsaal des Mitte des 19. Jahrhunderts im Stil des Historismus umgebauten Schweriner Schlosses wurden für die Säulen und Wandverkleidungen im Unterschied zu den anderen Räumen nicht Holzvertäflungen oder Stuckmarmor beziehungsweise „Stucco lustro“, sondern natürliche Dekorgesteine eingesetzt. Nach einer zeitgenössischen Beschreibung sollen die sechszehn freistehenden Säulen aus carrarischem Marmor und die Sockelzonen der Wände aus klassischem „Verde antico“ bestehen. Letzterer ist ein im alten Rom und in der Antikenrezeption von der Renaissance bis in den Klassizismus hoch geschätzter sogenannter „antiker Marmor“ aus Griechenland. Zerstörungsfreie Untersuchungen mittels Raman-Spektroskopie belegen, dass es sich bei dem Material an den Wänden im Thronsaal tatsächlich um einen Ophicalcit, eine serpentinisierte und karbonatisierte Breccie eines basischen Ausgangsgesteines handelt, jedoch nicht um klassischen „Verde antico“ wie er in der Umgebung von Larisa in Thessalien vorkommt. Die tatsächliche Herkunft des Gesteins konnte bisher nicht geklärt werden. Wahrscheinlich wurde die Bezeichnung „Verde antico“ in der historischen Beschreibung bewusst gewählt, um das Material und dessen Bedeutung für die Raumarchitektur aufzuwerten.
Abstract
In the second half of the 18th Century, application of rocks already popular during the Roman Empire or their stucco imitations had become an important element in the decoration of representative rooms in castles of the rulers to underline their claim to power. Natural decorative stones were used as columns and at the walls in the throne room of the Schwerin castle rebuild in the middle of the 19th Century in the style of Historism. This was not the case with the other rooms of the castle where walls were decorated mainly with wooden panels and stucco marble. According to a historical report, the walls above the floor were covered by classical “Verde antico”. The latter rock is a highly estimated Greek “antic marble” used during the time of the Roman Empire as well as from the Renaissance to Classicism. Detailed investigation including Raman spectroscopy proofed that the material used in Schwerin is indeed a ophicalcite, a serpentinized and carbonated breccia of an ultrabasic rock, but not a classical “Verde antico” from the surroundings of Larisa in Thessalian. The true source of the rock could not yet be established. Probably, the material was referred to as “Verde antico” to underline its importance in the architecture of the room.
Ophicalcit, Schweriner Schloss, Schleifmühle, Verde Antico
grinding mill, ophicalcite, Schwerin castle, Verde antico
In Mecklenburg waren sowohl die finanziellen als auch die natürlichen Voraussetzungen für die Errichtung und Ausstattung der von der Renaissance bis in das 18. und 19. Jahrhundert üblichen repräsentativen herrschaftlichen Bauten nicht in jeder Hinsicht günstig. Die Landschaft hier ist ganz wesentlich von eiszeitlichen und nacheiszeitlichen Überformungen geprägt. Der Untergrund besteht weit überwiegend aus Lockergesteinen wie Kiesen, Sanden und Tonen. Größere Vorkommen von verwertbaren festen Dekorgesteinen fehlen praktisch völlig. Die Tone eignen sich zur Herstellung von Ziegelsteinen, auch Holz ist reichlich vorhanden. Die Ziegelherstellung erfolgte in dem hier betrachteten Zeitraum noch ganz in der Nähe der Residenzstadt auf zwei Inseln des Schweriner Sees. Die wichtigsten, in typischer Backsteinbauweise damit errichteten Schweriner Kirchen – der Dom und die Schelfkirche mit den Grablegen der Mecklenburger Herzogsfamilie – offenbaren in ihrer Innenausstattung sehr anschaulich die geschilderten ungünstigen geologischen Verhältnisse. In der barocken, von 1708 bis 1713 errichteten Schelfkirche wurde der sonst damals in der Innendekoration üblicher Marmor bzw. Kalkstein durch gemalte Imitationen auf Holz ersetzt, ein zu dieser Zeit in vielen kleinen und auch größeren deutschen Kirchen aus Kosten- oder Materialgründen praktiziertes Verfahren. Im Schweriner Dom wurden zur teilweisen Auslegung der Fußböden mit Kalksteinplatten sogar alte Grabsteine verwendet (Abb.
Der Ziegelsteinfußboden im Schweriner Dom ist optisch durch schmale Bänder aus Kalksteinplatten aufgelockert. Dabei wurden viele alte Grabsteine verwendet (Foto: Ulf Kempe).
Figure 1. The ground floor of the cathedral in Schwerin is made of bricks with pattern of limestone. Old tombstones are used for this purpose (Photo: Ulf Kempe).
Bei der inneren Ausstattung der herzoglichen Schlösser passte man sich den lokalen Gegebenheiten ebenfalls an. Während die Fußböden sowohl in Ludwigslust als auch in dem 1844–1857 im Stile des Historismus um- und ausgebauten Schweriner Schloss prächtige Holzintarsien aufweisen (Abb.
Aufwändige Intarsien schmücken die Böden der Paradezimmer in den Residenzschlössern Ludwigslust (a Wohnzimmer des 1. Gästeappartements) und Schwerin (b Ahnengalerie im Festgeschoss; c Raum im Hauptgeschoss; Fotos: Ulf Kempe).
Figure 2. Elaborated marquetry decorates the floors of the apartments in residence palaces in Ludwigslust (a front room of the first guest apartment) and Schwerin (b ancestral portrait gallery on the Celebration floor; c room on the Main floor; Photos: Ulf Kempe).
Im Wohnzimmer des Herzogs im Schloss Ludwigslust wurde für die Kamineinfassung Naturstein verwendet, der sehr wahrscheinlich von einem skandinavischen Findling stammt. Es könnte sich dabei um Quarzdiorit handeln, wie er ganz ähnlich bei Narvik in Norwegen vorkommt (Foto: Ulf Kempe).
Figure 3. Natural stone material was used for the chimney in the front room of the duke of Mecklenburg in the Ludwigslust palace. Probably, a large block of an outlier from Scandinavia could be used here. The rock is possibly a quartz diorite similar to diorite occurring near Narvik in Norway (Photos: Ulf Kempe).
Einer von zwei in Frankreich als Lackmöbel im chinesischen Geschmack gefertigten Eckschränken im Vorzimmer des 1. Gästeappartements von Schloss Ludwigslust. Die Gesteinsplatte besteht aus klassischer Breccia Arrábida aus Setubal (Portugal). Das Gestein gilt seit 2022 als Weltnaturerbe (Foto: Ulf Kempe).
Figure 4. One of two corner cupboards now in the anteroom of the first guest apartment in the Ludwigslust palace. They were made in a chinois taste in France. The cover plate was made from classical Breccia Arrábida (Setubal, Portugal). The stone is considered as world natural heritage since 2022 (Photo: Ulf Kempe).
Bei den Kaminen aus Stuckmarmor wurden populäre, sogenannte „antike Marmore“ nachgebildet. Dabei handelt es sich um alle möglichen polierfähigen Gesteinsarten, die während der Antike insbesondere im Römischen Reich und in der Hauptstadt Rom selbst Verwendung fanden – ganz unabhängig von ihrer tatsächlichen petrographischen Natur. Die Palette reicht von weichen Karbonatsintern bis hin zu sehr harten Gabbros und Graniten. So imitierte man zum Beispiel am Kamin im Kabinett der Herzogswohnung vor der Galerie den durch sekundär entstandenen Chlorit und Epidot grünlich gefärbten „Porfido verde antico“ (auch Lapis Lacedaemonius oder Krokeischer Stein genannt), einen triassischen Metabasalt mit charakteristischen Plagioklaseinsprenglingen aus der Nähe von Krokees (Lakonien, Peloponnes, Griechenland;
Stuckimitationen klassischer antiker Gesteine an Kaminen in den Paraderäumen des Residenzschlosses Ludwigslust: a – Porfido verde antico; b – Giallo antico und c – Portoro (Fotos: Ulf Kempe).
Figure 5. Imitations in stucco of classical antique stones used for chimneys in the apartments of the Ludwigslust palace: a – Porfido verde antico; b – Giallo antico; c – Portoro (Photos: Ulf Kempe).
Auch in den Paraderäumen des Schweriner Schlosses trifft man wie in Ludwigslust häufig auf Stuckmarmor bzw. auf „Stucco lustro“. Beide Materialien wurden hier meist großflächig für Wandverkleidungen verwendet. Bemerkenswert für unsere Betrachtungen ist die naturgetreue Nachbildung von „Verde antico“, einem Dekorgestein aus Thessalien in Griechenland, im Bereich der Sockelzone in einem der Zimmer des Hauptgeschosses (Abb.
Stuckimitationen von klassischem Verde antico zusammen mit Giallo antico als Wandverkleidungen im Hauptgeschoss des Schweriner Stadtschlosses (links: Detail). Neben den hellgrünen Serpentint-Karbonatbildungen sind die typischen Bruchstücke von hellem Karbonat (Calcit) und dunklem Schiefer gut zu erkennen (Fotos: Ulf Kempe).
Figure 6. Stucco imitations of classical Verde antico and Giallo antico at the walls on the Main floor of the Schwerin castle (left side: detail). Within the groundmass of light green serpentine-carbonate intergrowths typical fragments of white carbonate (calcite) and dark slate are discernible (Photos: Ulf Kempe).
Vor dem Hintergrund der geschilderten Umstände ist es überraschend, dass ab Mitte des 18. bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts in Schwerin harte kristalline Gesteine in größerem Umfang geschnitten, geschliffen und poliert wurden. Dazu diente die 1704 zunächst als Pulvermühle erbaute Mühlenanlage am Ausfluss des Faulen Sees am südöstlichen Rand des Schweriner Schlossparkes, die später als Loh- und dann als Kornmühle genutzt wurde. In ihr ist nach 1748 auf Weisung von Herzog Christian Ludwig II. (1683–1756) eine Schneide- und Schleifmühle eingerichtet worden. Die Entstehung und Geschichte der Mühle wurden von Ralf Gehler ausführlich erforscht und dargestellt (
In der Schweriner Schleifmühle aus einem Gneissfindling gefertigtes Taufbecken in der katholischen Kirche St. Anna in Schwerin. Für den Angriff wurde ein Stockknopf verwendet, wie sie laut Akten in größeren Mengen in der Mühle hergestellt wurden (Foto: Ulf Kempe).
Figure 7. The baptismal font in the Catholic Church St. Anna in Schwerin was cut from a gneiss outlier in the water mill in Schwerin. A knob for walking sticks produced according to historical records in larger quantities in the Schwerin mill was used for the handle (Photo: Ulf Kempe).
Wie eine Liste der Produktion der Schleifmühle von Johannis (24. Juni) 1802 bis Johannis 1803 belegt, wurden in Schwerin neben den „großen Arbeiten“ auch kleinere Petschaften, Stockknöpfe, Ringsteine, Dominosteine, Spielmarken, Leuchter, Tabatieren, Steinkabinette und „Doberaner“ Souvenirsteine produziert. Die Schleifmühle blieb bis heute erhalten, auch weil sie bereits bei ihrer Stilllegung dem damals entstandenen romantischen Mühlenideal entsprach (
Unter Großherzog Paul Friedrich I. (1800–1842) wurde die Residenz 1837 von Ludwigslust wieder zurück nach Schwerin verlegt. Dadurch machte sich der Bau eines neuen Schlosses notwendig, der ab etwa 1841 zunächst am Standort des heutigen Museumsbaus am Alten Garten begann. Unter Paul Friedrichs Nachfolger Friedrich Franz II. (1823–1883) wurde dann nach entsprechenden Planänderungen stattdessen die gesamte Anlage des alten Renaissanceschlosses auf der Schweriner Schlossinsel in zwei Etappen um- und ausgebaut. Die offensichtliche Absicht von Bauherr und Architekten war dabei, den Stil der Renaissance möglichst perfekt zu imitieren, was auf die Innenausstattung des hier näher zu betrachtenden Thronsaals in besonderem Maße zutrifft. Friedrich Stüler, Eduard Prosch und Hermann Willebrand schrieben in der im herzoglichen Auftrag 1869 erschienenen Prachtausgabe der Beschreibung des neuen Schweriner Schlosses über den Thron- und den an die Ahnengalerie anschließenden Goldenen Saal: „Der Thronsaal und der goldene Saal, von welchem später die Rede sein wird, gehören in dieser Hinsicht unbedingt zu den imposantesten Festräumlichkeiten, welche die neuere Zeit geschaffen hat. Aller Reichthum der Decoration, dessen die Renaissance in Form und Farbe fähig ist, kommt in ihnen zur vollen Geltung“ (
Blick in den Thronsaal des Schweriner Schlosses. Im Stil des Historismus werden hier verschiedene Renaissanceformen imitiert. Auffällig sind die 16 freistehenden Natursteinsäulen aus Carrara-Marmor (Foto: Ulf Kempe).
Figure 8. General view of the throne room of the Schwerin castle. Various elements of the Renaissance are imitated in the style of Historism. Remarkable are 16 columns of natural Carrara marble (Photo: Ulf Kempe).
In der ersten Phase von 1843 bis 1851 wurde das Schlossbauprojekt von Hofbaumeister Georg Adolf Demmler (1804–1886) unter Beteiligung von Hofbaurat Hermann Willebrand (1816–1899) und unter Einbeziehung einiger Ideen aus dem Siegerentwurf des Dresdner Architekten Gottfried Semper (1893–1879) geplant und geleitet. Demmler musste aus politischen Gründen dann seinen Posten räumen und wurde durch den Berliner Baumeister Friedrich August Stüler (1800–1865) ersetzt. 1857 war das Vorhaben vollendet.
Die Verwendung von Naturstein in der Ausgestaltung des Thronsaals ist durch die sechszehn freistehenden Marmorsäulen in Kombination mit den steinernen Wandverkleidungen in den Sockelzonen über dem Fußboden recht augenfällig (Abb.
Nach
Figure 9. According to
Ungenauigkeiten bei der Verwendung von Handelsnamen für die verschiedenen Sorten von Dekorsteinen waren im 19. Jahrhundert recht häufig. Allerdings scheint es sich hier um eine ganz bewusste Benennung des Marmors als „Pavonazetto“ zu handeln, wohl mit dem Ziel, das Material aufzuwerten. Bei dem zweiten im Thronsaal verwendeten Naturstein, der hier im Fokus der weiteren Betrachtung stehen soll, scheint es sich ganz ähnlich zu verhalten. Über das dunkelgrüne, nahezu schwarz erscheinende Gestein schreiben die oben zitierten Autoren: „Die Wände sind bis zwei Fuss hoch mit Lambris von polirtem Verde antico umgeben, welcher in der Schleifmühle in Schwerin bearbeitet ist.“
Bei dem als Verde antico bezeichneten Gestein (auch „verde antique“, „marmor atracium“ oder „marmor thessalicum“, nicht zu verwechseln mit dem oben erwähnten „Profido verde antico“) handelt es sich um eine der in der Zeit von Renaissance, Barock und Klassizismus am höchsten geschätzten „antiken Marmorsorten“, wobei die Bezeichnung „Verde antico“ wohl erst im 19. Jahrhundert aufkam (
Im 18. Jahrhundert taucht das Gestein zusammen mit anderen farbigen Sorten häufig an repräsentativen Büsten und Postamenten auf (Abb.
Im 17. und 18. Jahrhundert wurden Spolien aus Verde antico für die Gestaltung repräsentative Büsten eingesetzt wie hier am Sockel einer Anfang des 18. Jahrhunderts in Florenz von Francesco Ginghi (1689–1762) gefertigten Venusbüste aus Amethyst, einer getreuen Kopie der Venus Medici in der Tribuna der Uffizien (Grünes Gewölbe, Dresden, Inv.-Nr. V 592; Foto: Dirk Weber, SKD).
Figure 10. During the 17th and 18th Centuries, spolia of Verde antico were used in the design of highly valued busts as in the case shown in the Figure. The base of the amethystine bust of a Venus made at the beginning of the 18th century in Florence by Francesco Ginghi (1689–1762) consists of Verde antico (Grünes Gewölbe, Dresden, inventory number V 592). The bust is a faithful copy of the Venus Medici in the Tribuna of the Uffizien (Photo: Dirk Weber, SKD).
Tabernakel des Altars der Schlosskapelle in Kynžvart (Nordwestböhmen) mit klassischem Verde antico, „Alabaster“ (Sinterkarbonat), Giallo antico und einem weiteren Kalkstein oder Marmor. Der Altar entstand zwischen 1823 und 1833 und ist ein Geschenk von Papst Gregor XVI. an den damaligen Schlossherren und österreichischen Kanzler Fürst von Metternich. Für den Altar wurden Marmor und andere Dekorsteine aus der nach einem Brand abgerissenen, aus dem 4. Jahrhundert stammenden römischen Basilika „St. Paul vor den Mauern“ verwendet (Foto: Ulf Kempe).
Figure 11. Tabernacle on the altar in the palace chapel in Kynžvart (Northwestern Bohemia) made of classical Verde antico, alabaster (carbonate sinter), Giallo antico and another limestone or marble. The altar was constructed between 1823 and 1833 and was presented to the former owner of the palace and chancellor of Austria duke von Metternich by pope Gregor XVI. For the altar, marble and other stones from the basilica San Paolo fuori la mural in Rome could be used after the building from the 4th Century burned down in 1823 (Photo: Ulf Kempe).
Die gelegentlich für Verde antico verwendete Bezeichnung „marmor atracium“ ist irreführend, da das antike Atrax etwa 35 km weiter entfernt flussaufwärts des Pinios gelegen ist. Die historischen Abbaue befanden sich sehr wahrscheinlich unter der Kontrolle der näher gelegenen antiken griechischen Städte wie Larisa. Bis in das 6. Jahrhundert hinein wurde Verde antico in zwei Steinbruchfeldern am Berg Chasampalis (Chasanbali) nahe Larisa, der heutigen Hauptstadt der Region Thessalien, gebrochen (
Geologisch gesehen findet sich Verde antico am Berg Chasampalis als Breccie innerhalb einer großen Deformationszone ophiolitischer Serpentinite im Kontakt mit angrenzenden triassischen und jurassischen Marmoren. Die Prozesse intensiver Überschiebung, Verschuppung und Mylonitisierung der ultrabasischen Gesteine werden in die frühe Kreidezeit datiert (
Während der Arbeiten zur Rekonstruktion der alten Schweriner Schleifmühle mit dem Ziel ihrer musealen Nutzung konnten auf dem Grundstück zahlreiche Artefakte geborgen werden, die die Geschichte der Anlage dokumentieren. Darunter befindet sich ein einseitig poliertes Reststück desselben Materials, wie es für die Sockelverkleidungen im Thronsaal des Schlosses verwendet wurde. Die Spolie belegt einerseits, dass das Gestein tatsächlich in der Schleifmühle verarbeitet wurde. Der Fund ermöglicht andererseits eine einfache, direkte und zerstörungsfreie Untersuchung des in der Schlossbeschreibung von 1869 erwähnten „Verde antico“ (Abb.
Spolie der Serpentinitbreccie vom Territorium der Schweriner Schleifmühle, die für die Raman-Messungen verwendet werden konnte (ca. 7,5 × 4,5 cm; Foto: Ulf Kempe).
Figure 12. Spoliated polished stone slab of serpentinite breccia found on the ground of the stone mill in Schwerin which could be used for the Raman measurements (approx. 7.5 × 4.5 cm; Photo: Ulf Kempe)
An weniger auffälligen Stellen wie hier in einer Ecke des Thronsaals kann man gut die hellen karbonatreichen Partien in der Breccie erkennen, wie sie auch in der Spolie aus der Schleifmühle zu sehen sind (vergleiche Bild 12; Foto: Ulf Kempe)
Figure 13. In places in the throne room not attracting much attention as in this room corner, light zones consisting of carbonate are well discernible within the breccia similar as in the stone slab from the stone mill (cf. Abb.
Eine Betrachtung der Gesteinsplatten im Sockelbereich der Wände im Thronsaal des Schweriner Schlosses macht deutlich, dass es sich bei dem fraglichen Gestein um eine Breccie handelt. Trotz der insgesamt recht dunklen Färbung sind die unregelmäßigen Gesteinsbruchstücke überall gut erkennbar (Abb.
Zur genaueren Gesteinsbestimmung wurde die Raman-Spektroskopie verwendet, da diese im gegebenen Fall eine schnelle und zerstörungsfreie Bestimmung der gesteinsbildenden Minerale ermöglicht. Zum Vergleich konnte eine Gesteinsplatte von klassischem Verde antico aus den Petrologischen Sammlungen der TU Bergakademie Freiberg untersucht werden (Abb.
Typischer Verde antico in Form einer polierten Platte aus den Petrologischen Sammlungen der TU Bergakademie Freiberg (12,0 × 10,0 cm; Inv.-Nr. PeSa 1054, aus der Sammlung Hartenstein, Saalburg, 1989). Als Fundort ist irrtümlich Atrax angegeben (Foto: Ulf Kempe).
Figure 14. Slab of typical Verde antico from the Petrological collections of the TU Bergakademie Freiberg (12.0 × 10.0 cm; inventory number PeSa 1054, from the collection Hartenstein, Saalburg, 1989). Atrax is erroneously given as the place of origin (Photo: Ulf Kempe).
Repräsentative Ramanspektren der Serpentine aus dem Thronsaal in Schwerin (oben) und von klassischem Verde antico aus Thessalien (unten). Links: Strukturschwingungen; rechts: Schwingungen der OH-Gruppen. Die Spektren entsprechen Lizardit (mit leichten Übergängen zu Chrysotil, oben) beziehungsweise Antigorit (unten).
Figure 15. Representative Raman spectra of serpentine from the throne room in Schwerin (top) and from classical Verde antico from Thessaly (bottom). Left: structural modes, right: OH modes. The spectra represent lizardite (with some chrysotile; top) and antigorite (bottom).
Das Gestein des Thronsaals besteht im Wesentlichen aus zwei Mineralen. Die dunklen Partien werden von einem Serpentin gebildet, der eine gute Ramanstreuung aufweist (Abb.
Auch der Verde antico aus Thessalien ist ein Ophicalcit. Allerdings ist der in der Matrix weit überwiegende Calcit (Abb.
Prinzipiell erlaubt die Ramanspektroskopie eine genauere Diagnose der untersuchten Serpentingruppenminerale. In der Literatur wird dazu die Nutzung der charakteristischen Schwingungen der OH-Gruppen empfohlen, obwohl neuere Untersuchungen einige methodische Schwierigkeiten bei diesem Verfahren aufzeigen (
Vergleich der Lage der gemessen Raman-Moden (in cm–1) für die Serpentingruppenminerale im Gestein aus dem Schweriner Thronsaal (Spolie vom Territorium der Schleifmühle) und in Verde antico (Thessalien, Griechenland) mit Literaturwerten (Petriglieri =
Serpentin Thronsaal | Serpentin Verde antico | Chrysotil | Antigorit | Lizardit | Polyhedral | |||
(Petriglieri) | (Tarling) | (Petriglieri) | (Tarling) | (Petriglieri) | (Tarling) | (Tarling) | ||
Interne und externe Strukturschwingungen | ||||||||
128 | 127 | 135 | 129 | |||||
229 | 230 | 234 | 230 | 229 | 230 | 230 | 331 | 230 |
384 | 373 | 389 | 389 | 374 | 377 | 385 | 385 | 386 |
623 | 638 | 623 | 638 | 635 | 621 | 623 | ||
687 | 683 | 692 | 690 | 683 | 685 | 690 | 690 | 690 |
1101 | 1045 | 1101 | 1045 | 1093–1098 | 1092 | |||
OH-Moden | ||||||||
3650 | 3651 | 3650 | 3660 | 3650 | 3660 | |||
3667 | 3665 | 3667 | ||||||
3685 | 3683 | 3681 | 3682 | |||||
3695 | 3691 | 3691 | ||||||
3697 | 3698 | 3697 | 3695 | 3696 | ||||
3700 | 3703 | 3701 | 3705 |
Der Ophicalcit des Thronsaals besteht hingegen überwiegend aus Lizardit. Die Linien bei 3678 und 3659 cm–1 weisen auf gewisse Anteile von Chrysotil-Asbest und/oder Übergangsphasen zwischen beiden Polymorphen wie polyhedralen oder polygonalen Serpentin hin (
Da das Material im Thronsaal des Schweriner Schlosses kein klassischer Verde antico ist, stellt sich die Frage, woher das Gestein stammt. Obwohl Ophicalcite naturgemäß nur sehr selten an der Erdoberfläche auftreten, lässt sich in Europa doch eine Reihe von Vorkommen ausmachen, die teils schon in der Vergangenheit wegen ihrer ungewöhnlichen Farbe und Struktur, aber auch dank ihrer Festigkeit und relativ leichten Verarbeitung als Dekorgesteine genutzt wurden.
Zunächst fällt dabei ein anderes bekannteres Gestein aus Griechenland ins Auge, der Ophicalcit „Verde Tinos“ von der gleichnamigen Insel aus der Gruppe der Kykladen in der Ägäis. Die Breccie von Tinos ähnelt optisch dem Ophicalcit aus dem Schweriner Schlosssaal und wurde schon im 19. Jahrhundert häufig als Ersatz für klassischen Verde antico verwendet. Verde Tinos wurde in der Antike und dann wieder ab der Mitte des 19. Jahrhunderts abgebaut. Das Gestein ist auch heute noch neben dem weißen Marmor der Insel in größerem Umfang auf dem Markt. Allerdings ist in diesem Fall wie bei Verde antico Antigorit das dominierende Serpentingruppenmineral. Lizardit und Chrysotil treten nur sehr selten auf. Daneben wird häufiger Chlorit gefunden. Das wichtigste Karbonat ist Calcit, nur selten findet sich Dolomit (
Auf der Iberischen Halbinsel sind drei historisch genutzte Vorkommen von Serpentinit und Ophicalcit bekannt: Verde Pirineos von Moeche (Galizien, Spanien), Verde Macael (Andalusien, Spanien) und Verde Donai in Portugal. In den inzwischen stillgelegten Steinbrüchen von Moeche ist das Hauptmineral des Serpentinits Lizardit, Chrysotil tritt nur in sekundären Spalten gemeinsam mit Calcit auf. Ophicalcit ist für das Vorkommen nicht beschrieben (
Auch in Norditalien gibt es mehrere bedeutende Vorkommen von Ophicalcit. Schon seit längerer Zeit, mindestens seit den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts (
Mehrere Vorkommen von Serpentinit und Ophicalcit finden sich entlang der Küste und innerhalb von Ligurien sowie auf Korsika (
Zuletzt sei noch auf das Serpentinitvorkommen bei Wurlitz in der Müncheberger Gneissmasse in Bayern nahe Bayreuth verwiesen. Nach den an historischem Material des 19. Jahrhunderts aus den Petrologischen Sammlungen der TU Bergakademie Freiberg gewonnenen Untersuchungsergebnissen ist das prinzipielle Serpentingruppenmineral in den dortigen Gesteinen Lizardit. Ob auch Ophicalcit vorkommt, konnte bisher nicht festgestellt werden. Über die Nutzung der längst aufgelassenen Steinbrüche ist bisher nur wenig bekannt geworden. Der Serpentinit ist aber bereits im 2. Band des „Handbuchs der Mineralogie“ des Werner-Schülers und Mitarbeiters Carl August Friedrich Hoffmann von 1812 beschrieben. Auch heute wird in Oberfranken noch Serpentinit als Schottermaterial in Steinbrüchen gewonnen.
Es muss vorerst offen bleiben, woher das Rohmaterial für die Wandverkleidungen im Schweriner Thronsaal stammt. Zu bemerken ist jedoch, dass das Gestein in der nahen Schleifmühle verarbeitet wurde und nicht wie die Marmorsäulen aus Carrara vor Ort im Steinbruch. Letzteres Verfahren ist im Allgemeinen vorzuziehen, da die Gesteine direkt nach dem Brechen leichter zu bearbeiten sind und gleichzeitig Transportkosten gespart werden. Für den Ophicalcit könnte man daher annehmen, dass das genutzte Vorkommen verkehrstechnisch relativ günstig zu erreichen war wie etwa bei Wurlitz per Eisenbahn oder in Ligurien mit dem Schiff.
Abschließend sei noch darauf hingewiesen, dass die italienischen Stuckateure im Schweriner Schloss auch den Ophicalcit aus dem Thronsaal nachgebildet haben. So findet sich zum Beispiel eine Stuckimitation des Gesteins in einem der Turmzimmer des Hauptgeschosses (Abb.
Nachbildung des Ophicalcites aus dem Thronsaal in Stuck in einem der Turmzimmer des Hauptgeschosses im Schweriner Schloss (Mitte rechts; Foto: Ulf Kempe).
Figure 17. Stucco imitation of ophiocalcite from the throne room in one of the tower rooms on the main floor of the Schwerin castle (in the middle right; Photo: Ulf Kempe).
Der Autor dankt Herrn Ralf Gehler für wertvolle Literaturhinweise. Herr Waldemar Leide und Herr Michael Zimmermann vom Museum Schleifmühle Schwerin ermöglichten die Untersuchungen an der auf dem Mühlengelände aufgefundenen Spolie. Weitere Fakten und Literatur zu den Mecklenburger Schlössern teilte freundlicherweise Frau Claudia Köhler mit. Dank auch an das Grüne Gewölbe in Dresden für die Bereitstellung eines Fotos der Venusbüste aus Amethyst. Michael Gäblein, Christin Kehrer und Daniel Hamann unterstützen die Untersuchungen durch die Bereitstellung von Vergleichsmaterial aus den Geowissenschaftlichen Sammlungen der TU Bergakademie Freiberg. Allen Genannten sei für die stets freundliche und unkomplizierte Hilfe recht herzlich gedankt.